Der Bericht des Asiendrifts 2007, unverfälscht und frei von der Leber weg von mir unterwegs in der Wahnsinns-Schwarte festgehalten. Wie immer übernimmt der Autor keine Haftung für Nichtverstehen von Wortwitzen oder wohnortbedingt eingeschränkt bekannten Insidern.

13.1.07
Wir sind seit Dienstag unterwegs. 3 Tage Bangkok und ein Flug von schwer definierbarer Dauer liegen hinter uns. Und endlich gibt’s eine ruhige Ecke: Ein Tisch und ein Bier um die ersten Impressionen aus Südostasien festzuhalten.
Am Airport ging alles astrein und zügig, nur der vom Hanser empfohlene Bus war nicht zu finden. Das vermeintliche Stockwerk war dicht gemacht worden und bei den Taxis gab’s auch nur den Shuttle in die City, welcher dann auch kurzer Hand genommen wurde. Stressvermeidung, wegen 3€ hin oder her lohnt sich kein Gerenne. Zwecks Unterkunft wurde dann auch der Einfachheit halber die Khao San Road angesteuert, unschlagbar günstig, man kommt einfach hin und wieder weg und sie liegt mitten in der Altstadt. Der Busfahrer hat mir dann erfolgreich schon eine Haltestelle zu früh den Rucksack überreicht, dass er mir dabei mit dem Kofferraumdeckel die Uhr vom Handgelenk gefetzt hat merkt er nicht mal. 2 Sec später brettert er weiter, zurück in die Abgaswolke jenseits der Kreuzung. Wir sind da. Bangkok, das Tor nach Südostasien. Die Eindrücke prasseln runter wie Schneebälle im Sommer, sie kommen unangekündigt aus allen Ecken, 5 min später sind sie wieder mit dem Hintergrund verschmolzen und der nächste kommt geflogen, wer nicht ausweicht wird eingeseift. Mal wieder kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mal wieder auf dem Drift.
Laut der Garküche an der Ecke kommt man locker zu Fuß in die sagenumwobene Backpackermeile, quer durch hunderte Klamottenstände, Straßenimbiss und Tuktukfahrer, die uns in ihre Gefährte locken wollen, mit Lauten die man in D nur für Hunde und Katzen gebraucht. Herberge war dann das erste Guesthouse unserer Wahl, hieß „Ley“ und hatte Doppelzimmer für 240 Baht zu bieten. Danach ging’s noch mal um den Block um die Neugier auf die Stadt zu stillen. Konnte aber weder genaue Gefühle definieren noch bestimmte Eindrücke festhalten, irgendwie kam alles gleich. Ich war einfach zu fertig vom Flug, hing im Jetlag und hatte Schlafdefizit ohne Ende. Ich befand mich am Rand eines Zustands von Scheintod mit Verfolgungswahn. Die Lösung denkbar einfach: Das Bett. Irgendwann zwischen 6 und 7 wurde dann auch nicht mehr versucht gegen den Sog, den es ausübte, anzukämpfen.

Der 11. wurde dann genauso locker angefangen wie der 10. aufgehört. Mittags aufgestanden, beim Nachbar was gegessen und die uralte Tradition von Ralle und Tobi wieder aktiviert: Jeden Tag mindestens einen Shake. Papaya, Banane, Melone, egal, zur Suchtbefriedigung, anders kann man es kaum ausdrücken. Wer so was mal probiert hat will nie mehr Hohes C.
Danach wollten wir los in Richtung Königspalast und Wat Phra Keo, einen der schönsten Tempel in der Gegend. Auf dem Weg wurde dann die übermäßige Freundlichkeit der Thais kennen gelernt. Kaum steht man irgendwo und schaut etwas ratlos aus der Wäsche, kommt ein Passant und fragt ob er helfen kann, wo man denn hin will und lotst dann sogar, obwohl er eigentlich gar kein Englisch kann. Und keiner will Gegenleistung, wie ich anfangs misstrauisch dachte, sie sind schneller wieder weg als man sich bedanken kann. Selbst Verkehrspolizisten schrecken nicht davor zurück, die Kreuzung mal eben den Fahrern der Autos, Tuktuks, Taxis, LKWs, Rikschas und Mopeds selbst zu überlassen. Höflichkeit vor Verkehrschaos. Sie kommen von ihrer Insel auf der Kreuzung an den Straßenrand geschlendert, fragen „Where go?“, man sagt wohin man unterwegs ist, danach folgt die wortlose Wegbeschreibung in Berufssprache der Verkehrspolizei. Internationaler geht’s nicht, selbst bei Linksverkehr.
Am Palast war dann doch meine Hose zu kurz, dachte bis über die Knie währe OK, die Wachen wollten aber dennoch länger. Sitte ist Sitte, und die galt es zu respektieren. Also kurzfristig vertagt, einen Blick auf die Karte geworfen und quer durch die Stadt zum Golden Mount marschiert. Dabei wurde dann festgestellt, dass das oft gehörte Chaos der Metropole zu Unrecht vorgeworfen wird. Eigentlich geht’s halbwegs gesittet zu, für unsere Maßstäbe. Wir hatten wesentlich größeren Horror erwartet. Der besagte güldene Berg selbst war dann auch ganz OK, die Aussicht aufs Panorama der Stadt, die Klongs und die Tempel aber gigantisch. Fast noch besser war, wie so oft, der Weg dahin. Wohnviertel mit Waschfrauen am Wasser, rauchenden Großvätern auf den Stufen vor den einfachen Häusern, Kinder in Schuluniform, Straßenleben abseits der Touristenpfade. Wer selbst eine Karte hat, Straßenschilder ließt und ab und zu mal fragt kommt überall hin. Und sich verlaufen ist da oft ein glücklicher Zufall, zumindest bei Tag und in der richtigen Ecke.
Der anschließende Abend und die dazugehörige Nacht wurden dann wieder um die Khao San, zwischen Garküchen, Shakes, Tiger Beer und dem „The FCUK“ verbracht.

Der gestrige 12. wurde ebenfalls spät angefangen, und wir wollte Königspalast Klappe die 2. angehen, diesmal mit entsprechenden Beinkleid. Einlass war dann auch kein Ding, das was uns innerhalb der Mauern erwartete allerdings schon. Die Anlage ist äußerst kompakt gebaut, alles ist über und über mit Gold verziert, Prunk und Edelsteine überall. Den Überblick zu behalten ist nicht leicht, der Blick wird ständig in andere Ecken gezogen, fast entsteht der Eindruck man befinde sich in einem Spiegellabyrinth, ein Komplex der als ganzes kaum zu erfassen ist. Der Höhepunkt ist dann zweifellos der Bot im Zentrum. Um ihn betreten zu dürfen müssen wir die Stiefel vor der Türe lassen. Der Innenraum besteht zum größten Teil aus Gold, der Rest sind Edelsteine und ein paar farbige Ecken. Der Buddha selbst ist aus massiver Jade, 60 cm hoch. Wer hier ausräumt macht schon einige 100.000 alleine durch den Materialwert, wobei sich solche Reliquien wohl schwerer verkaufen als 2 alte Semmeln.
Nach Zentralheiligtum und Palast, welcher nicht weniger prunkvoll war, sind wir weiter in Richtung Fluss. Daniela hatte die Idee von da mit den öffentlichen Booten weiter zu fahren. Man ignoriert die Touristenschlepper, wartet am Pier bis einer der Schaluppen ankommt, springt auf und zahlt an Bord 13 Baht an den Kerl mit der Kleingeldrassel. So sieht man die halbe Stadt flussabwärts, vorbei an Businesstürmen, Blumenläden, goldenen Wats, riesigen Frachtkähnen die sogar im Schlepp fahren und natürlich an ewigen Bretterbudenslums. Am Orientpier sind wir dann wieder runter vom Boot und haben uns in der Ecke der Stadt noch eine Weile umgesehen. Irgendwann haben wir dann hinter einem kleinen Tempel wieder einen Pier gefunden wo mitten im abendlichen Berufsverkehr wieder einer der überfüllten Wasserbusse geentert wurde. Die nächtliche Kulisse zog vorbei, fast überall gingen Lichter an, woanders standen ganze Straßenzüge im dunklen, nur vereinzelt Kerzen, Lampen oder offenes Feuer. Die Armut wohnt hier mit im Zentrum, auch wenn sie sich am Fluss versteckt.

15.1.07
Bangkok liegt hinter uns. Wir sind Samstag früh raus aus der Stadt und per Bus weiter nach Trat, dort auf einen PickUp bis an die Fähre von Laem Ngop, welche uns dann nach Ko Chang schipperte. Hat auch ganz gut geklappt, Schiff hat dicht gehalten und am Pier standen die PickUps schon Spalier um das Fußvolk auf der Insel zu verteilen. Wir wollten nach Thanam Beach, eine kleine Backpacker Siedlung am Strand, wo wir uns dann zack di flack in einem Bungalow zwischen den Bäumen oberhalb der Küste einquartiert haben. Anschließend wurden dann noch unsere Gaumen mit feinster Thaiküche, mehreren Shakes und Changs befriedigt. Der Tag danach wurde vor allem mit lang schlafen, lang am Strand flezen und lang vorm Bungalow schimmeln verbracht. Sonst nichts. Was sich auch erst mal nicht ändern wird.

17.1.07
Die Tage ziehen ins Land, nach der faulen Phase auf Ko Chang stand uns der Sinn wieder nach Bewegung, und die Luft roch geradezu nach Kambodscha, Siem Reap, Angkor. Karte raus, Route aufgestellt, Stephan benachrichtigt und früh morgens den Bungalow verlassen. PickUp – Fähre – PickUp – Minibus – Normalbus – Tuktuk, am frühen Abend hieß es aber doch noch „Border!“ bei Aranyaprathet. Die Einreise verlief dann ziemlich konfus was Stempel und Posten angeht: Der freundliche Grenzbeamte hat die 20 US$, die auf einem riesigen Schild als Visa und Einreisegebühren ausgeschrieben waren, kurzerhand auf 1000 Baht aufgerundet, wobei 20 US$ lediglich 850 Baht sind. Auch eine 20 US$ Note direkt ließ er nicht zu, was wohl der einzige Ort in ganz Kambodscha sein dürfte. Hier bekommt man sogar am Bankautomat US-Währung. Er will also 150 Baht für sich. Wir wollen rein, spenden ihm den Obolus via zwei mal 1000 Baht und bekommen dafür alles sauber gestempelt und geklebt. Auch die Quittung über die 20$ die eigentlich 23 waren. Bakschisch. Wie fast überall. Nach der Grenze gab’s dann allerdings keine Möglichkeit mehr weiter zu kommen, lediglich ein Taxi für 45 US$, was uns zu teuer war. Außerdem war es bereits Nacht geworden und wir würden wenig mitbekommen von Kambodscha. Entscheidung war schnell gefallen, wir bleiben in Poipet, die Grenzstadt auf der kambodschanischen Seite, ein Ort der widersprüchlicher ist als seine Taxifahrer. Auf der einen Seite Kasinos mit Nobelsuite und Krawattenzwang in der gesetzesfreien Grenzregion, direkt daneben das staubige Chaos eines Kaffs das zu 99% am Existenzminimum krebst. Ein Schlepper vermittelt uns ein günstiges Doppelzimmer in einer halbwegs vernünftigen Absteige an der Hauptstraße. Nachts ist vom Weg dorthin wenig zu erkennen. Ein gesundes Misstrauen ist meiner Meinung nach in solchen Gegenden nie verkehrt und ich laufe auch nicht halb blauäugig halb blind in jede Ecke. Trotzdem find ich das mulmige Gefühl den Leuten gegenüber oft fast unfair. Ich bin überzeugt von der Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit der Leute, die hier auf Sand und Schotter Benzin verkaufen und Autos reparieren, sie tun das eben auf einem Level, den der verwöhnte Europäer erst mal nicht gewohnt ist. Erfahrungsgemäß dauert es noch paar Tage bis der Magen wieder an den denkenden Teil weiter nördlich am Körper abgibt. An solchen unbewussten Vorurteilen sind die heutigen Medien nicht ganz unschuldig. Man sieht nur selten Bilder die mit positiven Neuigkeiten zu tun haben von solchen Menschen, wodurch ein völlig falsches Bild entsteht. Auch wenn man es nicht wahrhaben will....

18.1.07
Die Nacht war dann relativ ruhig, nur ein penetranter Taxifahrer, der uns unbedingt nach Siem Reap fahren wollte, gab keine Ruhe. Hat unerbittlich an der Zimmertür geklopft, nach 10 min hat er dann endlich aufgegeben. Später hab ich ihn dann am Wasserstand noch mal getroffen, und morgens kam der nervige Kumpel dann wieder und klopfte länger als Karl der Große vor Canossa. Am Grenzposten gab’s dann einen kostenlosen Shuttle zum Busbahnhof, von wo man weiter nach Siem Reap kommt. Problem dann: Der Bus kommt erst zwischen 2 und 3, laut Schalter. Was hier auch locker bis 4 oder 5 dauern kann. Und wir hatten gerade 11. Kurzentschlossen haben wir uns dann ein Taxi mit 2 Franzmännern geteilt, 15$ pro Person, 5 mehr als der Bus, dafür aber schneller und wir können sofort los, quer durch die kambodschanische Pampa. Der Fahrer hat dann eine Schnellstraße angekündigt, was hier natürlich erheblich anders aussieht als bei uns. Nicht mehr als eine stellenweise Asphaltierte Piste auf der man überall fahren musste um Staubwolken, Tieren und dem Gegenverkehr auszuweichen. Hier wird das praktiziert was bei Anarchie von der StVO übrig bleiben würde. Es ging vorbei an trostlosen Brettersiedlungen der Landbevölkerung und über provisorische konstruierte Brücken, durch die traurig-leeren Straßen von Siemphon und entlang den verdorrten Resten der Reisfelder. Was überall an der Strecke auffällt ist die Privatisierung des Tankstellenwesens in Kambodscha. Alle paar km steht ein Stand an dem Benzin in Flaschen, Kanistern und anderen Gebindeformern verkauft wird. Anhalten, Trichter auf den Stutzen und schnell 6 Johnny Walker Flaschen Diesel in den Traktor, so geht das hier. Zweite alternative ist Propangas, wie unser Taxi. Auch das wird überall verkauft, aus Systemen die schwer nach Eigenbau aussehen, vorsichtshalber volle Deckung. Nebenbei hat sich dann noch die komplette Taxibelegschaft über meine Fähigkeit gewundert auf der Schlaglochjagd zu schlafen. Kommentar Daniela: „I don’t know how, but he’s able to sleep EVERYWHERE....“
Gegen Nachmittag war dann Ankunft am nächsten Etappenziel: Siem Reap, der Stadt an den Ruinen von Angkor. Unser Chauffeur hatte schon während der Fahrt mit einem Guesthouse telefoniert und uns gebeten dort abzusteigen, lag nur leider gut außerhalb, was organisatorisch für uns sehr unpraktisch war. Die beiden Franzosen wollten auch noch wo anders hin, wir sind erst mal einfach mit, zurück können wir immer noch. Der Taxifahrer ist uns treu ergeben bis wir irgendwo unterkommen, spitz auf seine Provision, und da zahlen verständlicherweise die abgelegenen, nicht so populären Häuser mehr als die im Zentrum, welche sowieso genug Kundschaft haben. Das „Popular Guesthouse“, die Wahl unserer europäischen Nachbarn, lag dann ganz gut, Zimmer sind OK und wir wollten nicht noch weiter durch die Gegend hetzen, nur um noch einen wertvollen Dollar zu sparen. Wie es mir bei den beiden Franzosen zu sein scheint. Danach ging alles ziemlich flott, Internet an der Ecke, Stephan kommt einen Tag später, Visa für Laos wird im selben Laden gemanagt. An der Straßenapotheke, die sich die Geschäftsräume mit einer Werkstatt für Tuktuks und Mopeds teilt, werden dann noch die Doxy-Vorräte aufgestockt. Wenn man westliche Apotheken mit Klima, sterilen Tresen und Männern in weisen Kitteln gewohnt ist, fallen einem doch ein paar Unterschiede auf. Wenn man z. B. beim Kauf von Antibiotika, für die in D der rote Schein Pflicht ist, nur nach der Menge gefragt wird (Es gibt auch halbe Schachteln, oder einzelne Streifen, 1$ pro Stück) und einen halben Meter neben mir ein Tuktukrahmen geschweißt wird.

20.1.07
Die Schreibmoral hängt mal wieder ins bodenlose durch, hoffe da kommen wieder grünere Tage.
Aber es gibt Nachrichten der Durchgeknalltheitsstufe 1: Stephan Ficklscherer ist am 18.1. in Siem Reap eingetroffen. Es hat also wirklich funktioniert: Ich treffe mich in Kambodscha mit einem Kerl den ich vor 4 Jahren in Costa Rica kennen gelernt habe. Daheim wohnt er keine 2 Stunden weg, da hat so was nicht funktioniert.... Es wurde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bis in unbekannte Späten das Wiedersehen zelebriert, auch wenn wir um 7 raus wollten um irgendwie in die Ruinen zu kommen. Die chronologische Reihenfolge ist aufgrund der Euphorie, die dieser Vorfall verursacht hat, etwas außer Kontrolle geraten, hier der Rest.
Es wurde mal wieder anständig ausgeschlafen, paar Sachen organisiert, dann zum alten Markt geschlendert. Eine hochverwirrende, schwer noch chaotischer anzulegende Ansammlung von Ständen in einer Art Halle. Verkauft wird vom Wecker über frisch geschlachteten Fisch, Klamotten, Obst bis zum Schmuck alles, Baumarktabteilung inklusive. Und natürlich Souvenirs. Nebenbei stehen zwischen den Bänken, Theken, Tischen und Haufen uralte Nähmaschinen, einige davon mit E-Motoren frisiert, an denen alles mögliche neu oder umgeschneidert wird. Ich liebe dieses Chaos, um jede Ecke was Neues, kein erkennbares System, jeder tut was er will und alle amüsieren sich prächtig, tratschen oder machen hinten im Stand ein Schläfchen in der Hängematte. Genau mein Ding, ähnlich wie die Mercados in Südamerika. Nur geht hier noch mehr die Ordnung abhanden, widerstandsfähige Nasen und ein sicher verstauter Geldbeutel sind dort absolut notwendig.
Danach wurde überlegt ob man zum Tonle Sap fahren sollte, den größten See in Südostasien. Viel versprechend, leider aber zu zeitaufwendig für einen späten Nachmittag mit geringen Stressvorstellungen. Also nur noch eine Ecke gammeln, Shakes beordern, Nahrung aufnehmen. Dann siehe vorheriges Kapitel.
Ahh, Schwachsinn, hätte beinahe das wichtigste vergessen! Wir sind gegen Abend noch nach Angkor gefahren, direkt zum Tempel. Die Tickets können ab 16:30 für den nächsten Tag gekauft werden, man kommt damit dann noch bis um 6 für Lau in die Ruinen. Nebenbei haben wir noch 2 Deutsche getroffen, die uns einige gute Tipps geben konnten, wie man dem mörderischen Strom koreanischer Pauschaltouristen ausweichen kann. Nichts gegen solche Leute und ihre Art zu Reisen, aber etwas in Ruhe zu genießen ziehe ich dem Trouble von Menschenmassen immer vor. Sonnenuntergang am Wat, irgendwo auf der Wiese, sollen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Also raus, Tuktuk gewunken und in den Tempelbezirk. Am Schalter gab’s dann erst mal Zoff mit den Bediensteten: Man reiche ihr 2 x 40US$ für 2 Drei-Tages-Tickets, welche sie dann an den 20 cm entfernten Schalter zu ihrer Linken reicht, warum auch immer. Die Person dort hat dann abrupt behauptet Daniela hätte noch nicht bezahlt, 10 Sekunden nachdem sie ihr das Geld abgenommen hatte. Hat sich dann aber mit etwas freundlich-nachdrücklicher Argumentation doch aus der Welt schaffen lassen. Innerhalb der Mauern wurde es dann schlagartig ruhiger und ich konnte die monumentale Anlage, mit all ihren Mauern, türmen und Gängen entspannt auf mich wirken lassen, ohne dass uns jemand gestört hat. Der Tempelkomplex von Angkor, ein Bauwerk mächtiger und beeindruckender als vieles bisher Gesehene, überragt die Urwaldkulisse und versinkt gleichzeitig in der staubig-orangen Abendsonne. Ein Anblick, den man eigentlich nicht fotografieren müsste - man vergisst ihn sowieso nicht.

Am Morgen des 19. haben wir dann die Tipps der anderen befolgt und haben die Gegen-den-Strom-Methode angewendet, die auch schon in Tikal den Tag gerettet hat: Man steigt am Ausgang ein und bewegt sich entgegen der Touristenmassen, die alle nach dem gleichen Schema in Bussen von A nach B gekarrt werden. Der Plan sollte aufgehen.
Als erstes sollte uns der TukTuk-Pilot am Osttor vom Angkor Wat absetzen. Er dazu: "Why? Nobody go there this time!" wir dazu: "Exactly. That's why we go there."Fast komplett alleine konnten wir von hier quer durch die Gänge und Treppen des uralten Heiligtums streifen, vorbei an wahnsinnig filigranen Reliefs und Steinmetzarbeiten der Khmerkultur. Anschließend sind wir dann, vom Westtor, dem eigentlichen Haupteingang der Tempelanlage, weiter zur Stadtmauer von Angkor Thom. War dann auch ganz Ok, der Hammer aber waren dann die Bauten innerhalb der Mauern, allen voran der Bayon, Tempel der Gesichter. Ein Bauwerk das schwer zu beschreiben ist: sehr komplex gebaut und dadurch schwer zu erfassen, absolut beeindruckend und komplett anders, und trotzdem unverkennbar ein Teil von Angkor. Recht unscheinbar, aber doch sehr beeindruckend sind die Türme auf der Ostseite, die 12 Prasat Suor Prat. Wenn man von außen durch das Fenster des nördlichsten Turms nach Süden späht, kann man durch alle Fenster bis zum Südturm sehen, was auf beachtliche Bauleistungen schließen lässt.
Ich könnte hier Seiten mit Beschreibungen füllen, was aber gegen den eigentlichen Sinn des Tourtagebuchschreibens geht: Das Festhalten von Ereignissen. Das Festhalten und Beschreiben von allem Materiellem, das es lohnt erwähnt zu werden, übernimmt die Fotografie.
Nach Angkor Thom war der Tag dann auch schon ziemlich fortgeschritten und wir traten die Heimfahrt zum Popular an. Stephan haben wir dann leider nicht mehr getroffen, waren zu kaputt und sind schon gegen 10 in die Koje.
Gegen 5 hat uns dann das Geklopfe von Fahrer und CostaRicaKollege aus dem Schlaf gerissen, irgendwie hat die Uhr nicht gebimmelt. Egal, Stephan kommt mit in die Ruinen, hat sowieso nur einen Tag eingeplant und kommt so ganz gut rum. Totalitär gesehen war der Tag absolut erstklassig. Der TukTuk Pilot hat zwar wieder sehr schräg aus der Wäsche geguggt zu welchen Tempeln wir in welcher Reihenfolge wollten, funktioniert hat die Methode aber wieder bestens - wir hatten die meisten Ecken für uns.
Insgesamt haben wir an dem Tag bestimmt an die 20 Kultstätten, Heiligtümer, Paläste und Agrarbauten besucht, bestaunt und bestiegen, hier die Highlights:
1. Banteay Samre - Etwas ausserhalb, aber sehr gut erhalten und sehr geil konstruiert, mit integrierten Wasserbecken und Reliefs die Jahre der Klopferei erfordert haben mussten.
2. Ta Prohm - ein Tempel, der so belassen wurde wie er gefunden wurde: überwuchert von Bäumen, eingestürzte Dächer und unpassierbare Gänge. Wenn irgendwo Indiana Jones Feeling aufkommt, dann im Ta Prohm.
3. Phnom Bakheng - bei Sonnenaufgang. Normalerweise wird der Tempel von Horden überrannt, aber nur zum Sonnenuntergang, am Sonnenaufgang waren wir auf der Bergkuppe und dem dort befindlichen Ruinenrest alleine. Ganz alleine. Nebelschwaden über dem vor uns bis zum Horizont erstreckenden Dschungeldach. Alles ist diesig, vereinzelt zwängen sich Tempelspitzen durch das Meer der Bäume und den Nebel. Und dann geht die Sonne auf. Ein absoluter Hochgenuss.

Stephan ist dann am Bayon abgesprungen um den noch mit zu nehmen, Daniela und ich sind raus, zurück in die Stadt. Des abends wurde dann noch gemütlich diniert und einige Bars um ihre Biervorräte gebracht, dann waren die Tage des Wiedersehens gezählt. Morgen geht's für uns weiter an den Mekong, Stephan will in die Killing Fields und nach Phnom Penh.

22.1.07
Ich komm langsam wieder in Schreibrythmen, die verkraftbarer sind als die durch Faulheit verursachten Schreibblockaden über mehrere Tage. Gestern wurde Siem Reap hinter uns gelassen und weiter nach Kampong Cham gezogen, von wo es weiter nach Kratie gehen soll. Geplant war dem Mekong weiter stromaufwärts bis in besagte Stadt per Boot zu folgen. Wurde aber nichts draus, die Kapitäne sind seit dem Ausbau der Straße alle auf Minibus umgesattelt. Und der Bus für diesen Tag war schon weg, was einige geldgeile Taxifahrer auf den Plan rief: 40$ für die Fahrt. Eindeutig zu teuer, auch für die zwei Franzosen, die sich uns angeschlossen haben nach was anderem zu suchen.
Eine Stunde und ein Fußmarsch durch die halbe Stadt später gab's dann, entgegen aller Auskünfte, doch einen Van der uns für 5$ mitgenommen hat. Auf dem Dach waren 5 Roller verstaut, hinter uns alles voller Konserven und Baumaterial. Platz für 4 Leute war dann so gerade noch. Wie das aber so ist, in Minibussen und Sammeltaxen der 3. Welt, wird dieser Platz effektiver genutzt als das ein westlicher Logistikspezialist hinbringen würde. Zementsäcke im Fußraum, Dosenstapel hinter jedem Sitz, dazwischen irgendwo ein paar Europäer.
Die Fahrt ging quer durch den Osten Kambodschas, vorbei an namenlosen Dörfern, wo immer mal wieder jemand einstieg oder absprang. Zu Spitzenzeiten waren 14 Leute im Bus, einer auf dem Dach. Aber hey, Kambodscha live.

-Nachtrag: Hab in Siem Reap noch mal den Markt beehrt und mir eine Hose zugelegt. Camel Trophy Imitat, zig Taschen und - wie alle Hosen in Kambodscha - mit messerscharfer Bügelfalte, was dem Ganzen den 100%igen Briefträger-Style verleiht. Anprobieren ist dort schwer oder gar nicht möglich. Also hat mich die Hosenstandfrau fachmännisch vermessen und mir eine in meiner Größe raus gesucht. Ich zufrieden heim, anprobiert, passt nicht - um einiges zu eng. Also wieder hin. Die gute Frau hat sich dann zum Glück erbarmt, Umtausch kein Stress. Und der Postbotenlook gibt sich hoffentlich mit der Zeit. Nachtrag Ende -

Gegen Abend wurde dann, dreckig aber glücklich, Kratie erreicht.

23.1.07
Habens seit längerem mal wieder vernünftig ausgeschlafen und sind erst mittags aus der Kiste gestiegen. Nachmittags dann in die Stadt, Weiterfahrt auskundschaften, was aber auch von hier aus mit dem Boot nicht mehr möglich ist. Auch hier sind die Flussschiffer auf Pick-up und Minivan umgestiegen. Also wieder nix mit Boot auf dem Mekong. Zumindest fast. Denn des nachmittags wurden spontan einige Motos gechartert und zu einem Teil des Mekongs gefahren in dem die fast ausgestorbenen Irrawaddy-Delphine leben. Dort dann mit den Franzosen vom Vortag ein Boot gemietet und den Rest des Tages damit verbracht überall im Fluss den schwimmenden Säugern zu begegnen.
Esstechnisch wurde an diesem Abend eine echte Perle entdeckt: eine einheimische Garküche am Mekong, im Prinzip wie alle, Kochen über Feuer, Plan als Dache, Gerätschaften alle in einer Ecke aufgetürmt. Unterschied: Vor der Küche standen uralte Kolonialmöbel. Wuchtige Tische, Stühle mit hohen Lehnen und alles aus dunklem holz geschnitzt. Zwar stark gebraucht, hier und da gesprungen, aber mit nicht weniger Charme. Eher mehr. Der Kontrast aus Straßenrand und Kolonialstil bildete eine Atmosphäre die fast unwirklich erschien, eine Kombination die ihres gleichen sucht.
Den größten Pluspunkt machte Kratie aber durch seine Ruhe. eine verschlafene Provinzstadt ohne große Nebensächlichkeiten. Einfach einfach

25.1.07, inzwischen Laos
Die nächste Stadt auf dem Weg nach Norden war Stung Treng, immer noch direkt am Mekong und letzte Hoffnung auf ein Boot, das uns wenigstens die letzte Etappe auf dem Fluss nach Laos bringt. Die Fahrt war schnell organisiert, die Strecke ist hier schon verhältnismäßig gut ausgebaut, nur noch zur Hälfte staubige Piste, der Rest ist geschottert. Am Anleger in Stung Treng hieß es dann wieder: Kein Boot. Nur Charter, 60 $ bis zur Grenze. Der Wirt unseres Guesthouses hat dann aber doch noch was aufreißen können:
1. Zwei Holländer, die auch auf dem Fluss weiter wollen
2. ein Boot, das für 10$ an die Grenze schippert
Klang bestens und wurde geordert um uns am nächsten Tag weiter zu befördern. Einziger Haken: Es war kein Slow-, sondern ein Speedboat, von welchen die Sicht wesentlich schlechter sein soll. Der Morgen wird genaueres zeigen. Stung Treng ist genauso ländlich und gelassen wie Kratie, paar koloniale Bauten rund um den Markt, ein Pier am Mekong, einige Holzhäuser und Hütten. Rivertownatmosphäre, kein Problem den ganzen Nachmittag auf dem Dach zu liegen und auf den Abend zu warten.
Irgendwan bin ich dann runter und hab an der Straße einen Franzosen kennen gelernt, der schon 15 Jahre in Kambodscha lebt und derzeit an einem Reiseführer schreibt. Hab mich dazu gesetzt und wurde 5 min. später zum Testessen eingeladen. Ich glaube keiner bekommt was Besseres, als jemand, der über den Laden schreibt in dem man speist. Es gab Reh, Fisch, Salat, Reis und Suppe, für mich wurde noch ein Teller gebracht und ich durfte mich quer durch die Khmerküche arbeiten. Interessante Begegnung, bestes Essen, erstklassige Unterhaltung, was mehr?

Velocity Day
Irgendwann gegen 9 sollten wir uns bei dem Baum am Anleger mit unserem Käptn treffen, welcher dann auch irgendwann auftauchte. Die Boote sahen dann auf jeden Fall eher nach etwas aus das kaum schneller als eine venezianische Gondel ist als nach Schnellboot. Ein flaches, langes Kanu, hinten ein Motor. Wie alle hier. Also hatten sie uns mal wieder gelinkt. Egal, nachdenken später, erst mal schauen was noch kommt. Die Rucksäcke im Bug verstaut, dann wurden wir zu zweit und mit angezogenen Beinen 10 cm über dem Wasser zwischen vorderer Lehne und eigenem Arsch verkeilt. Der Kapitän, Steuermann und Navigator, verkörpert in einer Person, hat sich hinten an seine Maschine gesetzt und manövrierte mit dem altbekannten Getucker in Richtung Flussmitte. Und gibt Gas. Das Boot steigt innerhalb von Sekundenbruchteilen bis zur Hälfte aus dem Wasser, beschleunigt wie ein indischer Elefant auf Koks durch bis auf lockere 40 Knoten und schießt den Mekong flussaufwärts. Gerade dass man sich noch irgendwo fest klammern kann, 2 sec später muss ich meine Sonnebrille suchen - um Fahrtwind und Wasser abzuwehren. Stromschnellen bedeuten kurz vom Gas gehen, 2 mal auftatschen, wieder Vollgas. Quer durch den Dschungel, der hier direkt aus dem Wasser zu wachsen scheint, vorbei an Strohhütten und winzigen Gehöften. Warum man auf so einem Boot, das, ich revidiere, seine Klassifizierung auf jeden Fall verdient, nicht trocken bleibt, bedarf keiner weiteren Erklärung. Eine gute Stunde später, nass und taub, aber schwer begeistert von Fahrt und Fluss hieß es dann „Lao Border“. Beim Aussteigen hab ich mir dann die Antriebskonstruktion doch noch kurz genauer angeschaut: Ein Toyota 16V ESi Motor, keine Kupplung, kein Getriebe, Drehzahl direkt von der Kurbelwelle auf die Schraube. Offener Vergaser ohne Luftfilter, Fächerkrümmer mit 1 Meter Eigenbauauspuff. Das Aggregat bringt lockere 100 PS, kein Wunder dass die Schaufel abgeht wie StarterPilot im Lagerfeuer.
Grenze war dann völlig stressfrei: Kambodschaner, Stempel, 1$ Bakschisch, 500m Feldweg zu den Laoten marschieren, 1$ Bakschisch, Stempel. Eine der einfachsten Grenzen die ich kenne, obwohl tiefste Provinz und verhältnismäßig wenige Touristen.
Glücklicherweise gab‘s dann direkt einen Pickup, der über Nakasang fährt, was hier keine Selbstverständlichkeiten ist, wie wir später von anderen erfahren sollten. Von Nakasang wollten wir weiter in die Si Phan Don, die 4000 Inseln im Mekong Delta, an der Südspitze von Laos. Boot war kein Thema und gegen Nachmittag waren wir auf Don Det. Haben uns dort dann auf der Westseite bei ein paar Bauern in einer Bretterhütte am Mekongufer einquartiert und uns in die Hängematte geschmissen. Prädikat: traumhaft! Duschkapuff über den Hof, kein Strom, kein fließend Wasser. Ich habe von der Veranda vor unserem Stelzenverschlag Blick auf den Fluss, kann den Fischern zu schauen und mich erst mal erstklassig am Arsch lecken lassen. Bestens.
Der darauf folgende Tag verlief kaum anders: morgens beim Nachbarn zwei Fahrräder geliehen um damit den halben Tag lang die Inseln zu erkunden. Die Kolonialfranzosen haben irgendwo mitten in der Pampa eine Dampflock stehen gelassen, die da nun seit geraumer Zeit vor sich hin oxidiert. Außerdem gab‘s noch einen Wasserfall, der ziemlich spektakulär den Mekong um einige Meter tiefer legt. Danach dann wieder in die Hängematte bis weit nach Sonnenuntergang, welcher von dort absolut entspannt genossen werden kann. Der Himmel wird gelb, die Hügel dunkler, dann wird alles rot, die Berge glühen wie erkaltende Kohlen und der Mekong bekommt die Farbe von geschmolzenem Gold in dem ein Öltanker havariert ist. 10 min später ist alles vorbei, stockfinstere Nacht, die Bauern schmeißen die Generatoren an und die Fischer kommen von der Arbeit an Land. So gingen die nächsten Tage ins Land.

-Nachtrag zu Kambodscha: Eines der beliebtesten Hobbys der kambodschanischen Bevölkerung ist der Transport von mehreren, meist sehr großen Schweinen auf einem Motorrad. Rekord: 3 kalibrige Muttersäue hinten quer auf dem Sozius eines Standardrollers. Nachtrag Ende -

Freitag der 26. war dann mal wieder Transporttag. Morgens mit dem Boot quer durch die grüne Inselwelt nach Nakasang, von da 3 Std. auf der PickUp-Pritsche nach Pakse, Staub und Abgase en Mase, aber billiges Fortbewegen ohne große Wartezeiten. Vorher noch schnell ein Stück buntes Tuch auf dem Markt in Nakasang gekauft und a la Sankt Martin und seinem Mantel mit dem Schweizer Taschenschwert in zwei Teile geschnitten. In Postkutschenüberfallmanier angelegt, verhindert Staublungen und Co2-Überdosis bei Daniela und mir. Abgekupfert bei den Einheimischen, die ohne solche Utensilien ihre öffentlichen Verkehrsmittel nicht mal betreten. Pakse war dann wieder so verschlafen wie alle Kolonialstädte am Mekong zuvor, was keinesfalls negativ gemeint ist. Die Leute schlendern eher als dass sie laufen, die Straßen sind fast leer, ab und an sitzen ein paar Männer am Straßenrand zusammen und spielen um kleine Scheine. Nur in einer Ecke gab es rege Aktivität: bei einem Lagerhaus, an dem Beerlao verladen wurde. Wir saßen den Nachmittag über zufällig auf einer Bank gegenüber und waren erstaunt wie lange und emsig da ohne Unterlass geschlichtet, geladen, entladen, umgeladen und gestapelt wurde. Kein Gabelstapler, keine Paletten: hier werden die LKWs per Hand komplett mit Kästen vollgeräumt, genauso das Lagerhaus, bis unter die Decke. 10 Leute, ein organisiertes Chaos, wie in einem versehentlich umgetretenen Ameisenbau.
Dann ging der Nachtbus nach Vientiane, 700 km mit Beinfreiheit diesmal, dafür aber wieder AC auf Nordpol.

30.1.07 Die lockerste Hauptstadt der Welt
Wenn man an Hauptstadt denkt, kommen automatisch Gedanken an Verkehrschaos, Menschenmassen und geschäftiges Treiben wie im Bienenstock auf. Absolutes Gegenteil davon ist Vientiane. Eine Kleinstadt, überall viel Grün und alles ziemlich gelassen. Die Anti-Hauptstadt, nur noch durch Vaduz im Fürstentum Liechtenstein zu schlagen. Mit der gleichen Stimmung, die uns die Stadt entgegenbrachte, sind wir dann auch durch sie hindurch geschlendert; entspannt und völlig ohne Hetze. Vom Triumphbogen-Imitat, welcher einen guten Ausblick aufs Zentrum bietet, zum goldenen Zentralheiligtum der Laoten, dem That Luang. Dann paar Bücher getauscht und gegen Abend in einem völlig leeren Laden abseits vom Strip versumpft, wobei sich rausstellte, dass es sich um sowas wie eine laotische Pizzeria handelte. Erstklassiges Essen, unschaffbar viel, evtl. möglich für einen Wolfgang M., Preis/Leistung unschlagbar. Am nächsten morgen dann weiter nach Vang Vieng, ein Ort der weit oben auf der Liste steht. Der Bus brauchte 4 Stunden und hat mich ins Grübeln über das hiesige Transportsystem gebracht, dazu aber später mehr. Die Strecke war dann auf jeden Fall interessanter als das ewige Geradeaus über staubige Pisten durch die Reisfelder in den südlicheren Passagen der letzten drei Wochen. Es wurde zunehmend bergiger, außerdem viel Urwald und angenehmes Klima. Dann Vang Vieng. Anfangs am Nachmittag noch sehr viel versprechend: ein kleiner Ort, um eine Kreuzung geschnallt wie der Mantel einer Vogelscheuche. Eine Umgebung aus bizarren Felsformationen, die ohne große Vorhügel aus den absolut ebenen Feldern schauen. Wie eingeschlagene Meteoriten. Eine Kulisse wie aus dem Bilderbuch, asiatisches Landleben in Reinkultur. Dachten wir. Abends kam dann das böse Erwachen. Der Ort mutiert zur Touristenfalle wie es im Buche steht. Überall Leuchtreklame, DVD-Bars reihen sich an schicke Restaurants, Bars mit Mörderanlagen locken die aufgestylten Traveller mit westlichem Sound und Ambiente. Der Ort könnte genauso gut irgendwo in Italien oder Spanien liegen, Rimini und Lorett lassen Grüßen. Dafür also fährt man nach Laos. Um das Daheim bloß nicht zu vermissen. Womit der Ort für mich absolut enttäuschend wird. Ich hab absolut nichts gegen solche Orte, die Kids sollen Party machen solange sie können, wo sie wollen. Auch ich bin da selten abgeneigt, nur bin ich nicht deswegen hier. Ich will ein Land sehen wie es ist, nicht wie es geprägt wurde, wie es sich der Touristen wegen verstellt. Dass alle Orte einen gewissen Charakteranteil verlieren, sobald dort der erstenach einem Zimmer fragt, ist völlig klar. Dass von dem ursprünglichen Ort aber nichts mehr übrig bleibt, dagegen nicht. Wenn ich also gewusst hätte was hier los ist, hätte ich den Leuten beim aussteigen viel Spaß beim Feiern gewünscht und wäre direkt weiter, wer weiß wohin.

Der Tag nach der Ankunft entschuldigt aber so halbwegs den Eindruck der Nacht. Haben uns entschlossen, wenn wir schon mal da sind, dann auch die Umgebung mit ihren unzähligen Karstbergen, Höhlen und Tälern - unser Grund für Vang Vieng - per Fahrrad zu erkunden. Die Höhlen zu finden ist kein Problem, man fährt einfach auf dem Feldwegen durch die Täler und achtet auf die kleinen Schilder am Wegesrand. Folgt man den Pfaden auf den Schildern, kommt man früher oder später zu den Eingängen der Höhlensysteme von Vang Vieng. Davor döst irgendwo meist ein Laote auf einer Bastmatte und bietet für ein paar tausend Kip an, einem die Höhle zu zeigen. Die Entlohnung ist absolut gerechtfertigt, da hier kein Wegezoll (wie an manchen anderen Orten) verlangt wird, sondern quasi eine Art Maut: Die Einheimischen haben die meisten Höhlen erst zugänglich gemacht, Brücken im inneren gebaut, Wände gestützt, Gefahren erkundet. Wer denkt, er kann ohne größere Erfahrung, Ausrüstung oder Partner in eine ihm unbekannte Höhle einsteigen, ist dann doch sehr naiv. Also immer den örtlichen Kumpel mitnehmen. Meist sind sie zu zweit, einer geht mit dir rein, der andere wartet außen und verhindert so eigenmächtige Einstiege. Der Minderschlimmste Fall wäre da noch ein Stau an einem Nadelöhr in einem Höhlengang.
Unsere erste Station: Tham Phoukam, die einzige Höhle von der ich den Namen noch im Kopf habe. Gutes Stück zu fahren, aber lohnend. Kletterei über Felsen und Wurzeln, bestimmt 50 m über dem Grund des Tals. Und natürlich der Tag, an dem ich mal keine Stiefel anhatte. Dann Einstieg in eine riesige Halle, durchzogen von gigantischen Domen aus Tropfstein, im Zentrum ein Buddhaschrein. Durch das wenige Licht unserer Lampen und des Eingangs konnte die Dimensionen schwer eingeschätzt werden. Der mystische Eindruck wurde noch durch einen zweiten, kleineren Lichteinlass weiter oben in der Decke verstärkt, direkt in seinem Lichtkegel wird der Buddha verehrt. Eine Höhle, in die ein einfacher Schrein gebaut wurde; manchmal ist weniger eben mehr.
Irgendwann sind wir dann wieder abgestiegen und haben erst mal beschlossen Pause zu machen. Direkt vor der Höhle lag ein großer Teich mit buchstäblich saphirblauem Wasser, umgeben von wildem Pflanzenbewuchs vor dem Panorama der Karstlandschaft. Ein Anblick wie aus dem Märchenbuch, ein perfekter Platz für eine Siesta.
Danach sind wir weiter quer durchs Tal, vorbei an zu Fuß heimkehrenden Schulkindern, Bauern die ihre Ochsen am Bach tränkten und vereinzelten, leeren Hütten am Feldrand. Einer der Orte auf diesem Planeten, an dem der Begriff Hektik komplett im örtlichen Duden fehlt.
Da wir keinen festen Plan hatten, in welche Ecke der Umgebung wir speziell wollten, wurde einfach dem Instinkt gefolgt und spontan weiter irgendwelche Abzweigungen genommen. Die nächste Höhle war dann eine etwas tiefer in den Berg gehende, weiter abseits vom Weg. Daniela konnte sich leider nicht für die steile Anfahrtspiste begeistern, weshalb sie auf halbem Weg Stop gemacht und auf meine Rückkehr gewartet hat. Wie immer traf ich schon bald auf zwei Jungs, die mich baten meinen Drahtesel abzustellen und mich dann zum Eingang begleiteten. Einer der beiden blieb am Einstieg, der zweite ging voran. Erst eine Leiter hoch, dann durch enge Gänge, die oft nur kriechend passiert werden konnten. Dazwischen immer wieder riesige Hallen mit Tropfsteinen und anderen bizarren Steinformationen.