Dank einer völlig selbstlosen Aufopferung "meines Mädchens", der schnellsten Tipperin nördlich der Bibert, hat es der Vietnam-Bericht in die Weiten des WWW geschafft!

3.2.2009, Bai Chai
Wir sind bereits vier Tage in Vietnam, Hanoi liegt bereits hinter uns. Resümee bisher: Es fehlt das „Was soll der Scheiß, was ist hier los“-Erlebnis, der Aha-Effekt. Die erste Runde Vietnam hat mich zumindest nicht so vom Hocker gezogen, wie Bangkok oder Yangon vor zwei Jahren. Hanoi ist eine Stadt, die den Götzen der Autohupen anbetet, selbst in Heiligtümern wie dem Literaturtempel können der allgegenwärtige Lärm und die Abgase nicht ausgeblendet werden. Eigentlich habe ich erwartet, diese Kulisse 24/7 zu haben, aber erstaunlicherweise verlebt der Lärm irgendwann nach Mitternacht, nur der Straßenkehrer gibt noch eine Nummer auf dem Besen zum besten.
Die Tage haben wir locker rum gebracht, viel Schlendern in der Altstadt durch die Zunftsgassen, um den Hoan Kiem See und immer auf der Suche nach etwas Ursprünglichkeit. Was auf seine Art aber auf jeden Fall vorhanden ist, verglichen mit Bangkok, eben noch relativ wenig Touristenzeug, aber auch wenig spezielles Flair. Der Literaturtempel ist ganz okay, wird aber auch eher ausgeschlachtet als gepflegt. Das einzige, das noch als grundsolide und unbeeinflusst durchgeht, sind die Garküchen an den Straßenecken. Die Leute sitzen nach der Arbeit auf eine Suppe oder ein ganzes Menü plus zwei, drei Bier zusammen auf kleinen Schemeln, plaudern und lassen sich kaum stören von den Millionen Rollern und anderen Fahrzeugen im Verkehr nur einen Schritt neben ihnen.
Da wir beim Essen wenigstens etwas Ruhe bevorzugen, haben wir uns meistens eine etwas abseits gelegene Ecke gesucht und uns auf das eingelassen, was auf der großen Karte stand: Einfache Gerichte, zwei Meter weiter gekocht, nachdem die Bestellung kurz und bündig über zwei Tische an den Wok weiter gebrüllt wurde.

9.2.2009, Hoi An
Viel passiert, wenig Zeit zu schreiben, fast eine Woche kam nichts aufs Papier.
Inzwischen ist unser Eindruck des hiesigen Reichs der VRN etwas positiver, auch wenn es wieder einige Dämpfer gab. Die Transportmafia beispielsweise, aber dazu später mehr.
Wir sind in Hanoi auf einen Bus in die Halong-Bucht gestiegen, One Way, da wir von dort weiter in den Süden wollten.
Geplant war, dort gemütlich anzukommen, eine Bude zu organisieren, den Nachmittag zu vertrödeln und am nächsten Tag direkt am Hafen ein Boot in die Bucht zu entern. Bis zu dem Punkt ging auch alles glatt. Wir kamen in einer kleinen Dschunke zusammen mit ein paar Chinesen unter und schipperten stundenlang zwischen den gigantischen Felsen der Bucht umher, besichtigten die schwimmenden Dörfer und die Grotten auf den 3000 Inseln. Bei der zweiten Höhle stellten wir und der Rest der Gruppe dann fest, dass uns der Ticketmann mal wieder gelinkt hatte: Uns wurde versichert, dass im Preis zwei Höhlen inbegriffen seien, auf unserem stand aber nur eine. Also hier nachzahlen. Einfach zum Boot zurück ging auch nicht, da diese die Passagiere am Höhlenausgang wieder abholen und unser Käptn war schon unterwegs dorthin. Einziger Weg auf den Kahn war also durch die Höhle. Sehr clever, Mr. Vietnam. Aber halb so wild, 22.000 Dong, 1 € hatten wir gerade noch so übrig. Die Höhlen an sich sind aber ihr Geld definitiv wert: gigantische Tropfsteine in Hallen, so groß wie der Kölner Dom. Nur leicht entstellt durch die vietnamesische Kitschbeleuchtung in allen Farben des Spektrums.
Die Bucht selbst ist an sich ein absolutes Highlight, wir hatten zwar relativ diesige Sicht, panoramatechnisch war das ganze aber trotzdem gigantisch. Auch wenn ich mir die ganze Szenerie kompakter vorgestellt hätte.
Natürlich versucht man auch hier möglichst effektiv aus allem den schnellen Dollar zu schlagen. Es werden Strände aufgeschüttet, wo nie welche waren und mit Souvenirständen vollgepackt. Die Boote halten dort, ob man will oder nicht, für 45 Minuten, die Horden werden abgeladen und mit asiatischem Pop zugedröhnt und mit Bier und Krempel versorgt. Die Chinesen sind ganz versessen auf das Zeug, Souvenirs aus Vietnam, echt authentisch. Noch hat ihnen keiner verraten hat, dass der ganze Plunder in ihrer Heimat produziert und von den Vietnamesen palettenweise gekauft wird wie bei uns Werbefeuerzeuge. Interessiert uns nicht die Bohne, wir bleiben beim Käptn und seinem Gehilfen auf dem Boot, drehen uns den Retortenstrand in den Nacken und genießen den Blick über den Rest der Bucht vom Sofa an Deck aus. Der Skipper spielt Karten, raucht ab und zu eine Pfeife und wenn das Gedudel nicht wäre könnte man das ganze echt gut aushalten.
Völlig im Eifer des Gefechts habe ich unseren ersten Stop am Morgen völlig vergessen. Da wir aus Bai Chay gleich auf Kurs Süd weiter wollten, sind wir raus zum Busbahnhof gefahren um Tickets Richtung Dong Hai zu besorgen. Leider Fehlanzeige. Die Transportmafia hat auch hier ihre Finger dick in der Suppe. Über dem Schalter stehen die Preise und Destinationen zu denen wir wollen, trotzdem wollen die uniformierten Damen an den Schaltern unter keinen Umständen Karten für die Lokalbusse über den Tresen geben. Immer wieder wird uns gesagt wir müssen mit den Touristenbussen zurück nach Hanoi und von dort aus weiter, was natürlich nicht gerade unserer Definition von freiem Reisen entspricht. Wahrscheinlich hat hier einerseits der sozialistische Staat ein Interesse, uns von den Routen abseits der Touripfade fernzuhalten, andererseits will die Transportmafia ihre Busse voll bekommen und lässt dafür bei den Vorstehern der Standard-Busbahnhöfe ein paar Scheine vorbeibringen. Was dann im Gesamten zur geschilderten Situation führt. Ziemlich niedergeschlagen sind wir dann weiter zum Hafen und mit dem Boot in die Bucht, wo mir zumindest eine passable Kompromisslösung eingefallen ist: Wir gehen abends von Bord und springen direkt, ohne noch eine Nacht in Bai Chay zu bleiben, auf einen Minibus, der Tagestouristen nach Hanoi zurückbringt. Das ganze war in Rekordzeit organisiert, über unser drei chinesischen Kollegen vom Boot kamen wir an einen Kerl, der noch exakt zwei Plätze frei hatte und gewillt war eine halbe Stunde zu warten. Taxi geentert, zum Hotel geschossen, Rucksack gestopft und ausgecheckt – die gute Frau hat sogar nur die Hälfte für den angebrochenen Tag berechnet – und wieder zurück nach Hanoi, aber wenigstens ohne einen Tag zu verlieren.
Weiterkommen geht dann – natürlich – nur nachts und mit dem Bus, welche alle schon unterwegs sind als wir ankommen. Also noch ein Tag in Hanois Zunftstraßen, einige Bia Hanoi genehmigen und auf 6 pm warten.
Der Nachtbus hatte seinen Höhepunkt gegen 11 pm: Einer der Einheimischen kam den Gang nach hinten geschlichen, stellte sich in eine Lücke vor der hinteren Treppe und pisste mitten in den Bus, einen Meter entfernt vom Klo.
Ebenso der Eindruck von der Organisation der Busse: In Ninh Binh standen mitten in der Nacht noch Leute wartend und ungläubig an der Straße, wir mussten sie zurücklassen, obwohl sie ein Ticket hatten. Warum? Der Bus war voll, irgendjemand wollte mal wieder noch einen Dollar mehr verdienen und hat den Bus überbucht. Nur haben diesen Bus diesmal zu wenige verpasst, wodurch seine Rechnung nicht aufging.
Vorteil Bus: Wir haben Klaus und Markus kennengelernt, ebenfalls unterwegs nach Hue.
Nach Hanoi kommt einem Hue wie eine Oase vor; vom Verkehr, von der Luft, vom Flair. Alles etwas lockerer. Da der Schlaf im Bus trotz allem gut erholsam war, sind wir noch am gleichen Tag losgezogen um die Zitadelle zu besuchen, die Festung der Stadt samt der „Purpurnen verbotenen Stadt“, dem Wohnsitz der Kaiser und ihrer Frauen. Die Anlage ist riesig, hinter jeder Ecke entdeckt man neue Kleinigkeiten. Außerdem wird das Geld der Unesco gut angelegt, es wird allerorts renoviert und wieder aufgebaut. Vor den Toren stehen – typisch für ein kommunistisches Regime – Panzer und Kanonen, die man den Amis während des Krieges abgenommen hat, aufgereiht wie Trophäen und mit Schildern genau datiert, wann dem Feind diese Schmach zugefügt wurde.
Da wir mittags schon hungrig wie die Tiere waren und ein Inder auf dem Weg zum Guesthouse unserer Wahl lag, wurde dort direkt zu Mittag getischt. Ein kulinarisches Großerlebnis. Dort wurde auch der Plan geschmiedet, gleich zur Festung zu ziehen. Quer durch die Stadt, über eine Brücke – bei deren Schweißnähten jeder europäische Ingenieur sofort in ein mehrmonatiges Koma gefallen wäre – und vorbei an den heiligen Kanonen und dem Flaggenturm bis zum Mittagstor mit seinen sechs Meter dicken Mauern, dem Eingang zur Kaiserstadt.
Des Abends wurde wieder mal festlich gespeist, vietnamesische Hauskost, und anschließend einige obligatorische Helle.
Da wir nicht besonders scharf auf vollgestopfte Boote und komplett abgesteckte Touren sind, erfreute es uns umso mehr, dass wir am nächsten Tag für 350.000 Dong – ca. 20 US $ - einen kompletten Kahn chartern konnten. Dieser sollte uns auf den Parfumfluss zu den in der Umgebung gelegenen Kaisergräbern bringen. Eine Investition, die sich auf jeden Fall gelohnt hat: Die Kapitänsfrau, die auch schon mal am Ruder steht, fragte uns am Anfang mit Hilfe einer handgeschriebenen Liste, ob wir was zu Mittag wollten. Wir haben auf Nudeln mit Shrimps plädiert, sie hat mit einem Grinsen bestätigt und ist zehn Minuten später auf dem Weg zum ersten Grab von Bord gegangen um das Material frisch auf dem Markt einzukaufen.
Unser Steuermann war, wie wir nach kurzem feststellten, ein eventuelles Opfer der amerikanischen Chemiekampfstoffe: Er hatte insgesamt drei Daumen.
Der Fluss zieht sich in einem langen Bogen durch die Provinz, immer wieder tauchen Baggerschiffe auf, die nicht viel größer als ein Kanu und mit soviel Sand vom Flussgrund beladen sind, dass sie mit der Reling nur hauchdünn über der Wasseroberfläche fahren. Material für neue Betonbauten. Nicht schön, aber günstig – und das ist alles was hier zählt.
Die Kaisergräber selbst sind aber – trotz Eintritt – jeden Pfennig wert. Auf dem Areal eines Grabes würden wir einen Friedhof samt Kapelle unterbringen, wahrscheinlich mehr. Da wurde im großen Stil gebaut, mit großen Tempeln, Wassergären und Parkanlagen, außerdem Wohnraum für alle Konkubinen des verstorbenen Kaisers. Insgesamt haben wir zwei Gräber und zwei Tempel besucht und waren den ganzen Tag beschäftigt. Dem Käptn wurde nach jeder Station auf seiner Karte gezeigt wo wir als nächstes hinwollten. Irgendwann dazwischen gabs dann noch das hervorragende Mahl und der Sohn der besagten Bootsleute ließ uns von seinem gezuckerten Ingwer naschen.

13.2.2009, Nha Trang
Man sitzt mitten in der Nacht vor seinem Zimmer auf der Terrasse und freut sich über die Fledermäuse, die einem um den Schädel schwirren und sich um die Moskitos kümmern.
Hue haben wir mit altbekanntem Kurs Süd verlassen und sind weitergezogen nach Hoi An. Der Wirt vom Hue-Guesthouse hat zwar angeboten, uns per Motorrad dorthin zu bringen, das wäre aber nichts für meine Reisegefährtin, also Nachtbus, tagsüber läuft auch hier nix. Wieder mal nichts vom Land gesehen aber 500 km in die nächste Stadt gebeamt.
Da sich der für uns geplante Bus als voll rausstellte, wurden Daniela und ich prompt in einen anderen verfrachtet.
Korrektur! Das Ding von Hue nach Hoi An lief am Tag! Und es waren nur 150 km. Das kommt von überlangen Schreibpausen …
Im Bus also einige Stunden und die wichtigste Grenze innerhalb Vietnams später hieß es Hoi An. Wir sind in Südvietnam, der Hitze, dem Himmel ohne grau. Eindruckstechnisch kann ohne Zweifel behauptet werden: Es geht aufwärts. Die Tage in Hue waren locker, der Kaffee ist der Hammer in Dosen, das Bier lässt sich trinken, ähnlich wie in Südamerika und einer im Biberttal bekannten Bahnhofsschänke ist nur die Temperatur ausschlaggebend. Zu eben diesen Dingen empfiehlt sich das Seafood, was inzwischen fester Bestandteil und größter Nährstofflieferant meines Speiseplans geworden ist.
Hoi An:
Wir wurden wie üblich an einem Vorortguesthouse abgeworfen, das dafür bezahlt, die Busstation sein zu dürfen um auch ein paar Gäste abzubekommen. Da wir näher ans Zentrum und die Altstadt wollten, haben wie die Rucksäcke geschultert und sind unter der brüllenden Mittagssonne zu Fuß dorthin aufgebrochen. Doppelt schlechte Idee.
1. Wir waren schon sehr bald sehr im Arsch. Daniela hat dann bei der Post beschlossen, auf die Rucksäcke aufzupassen, während ich ohne Gepäck weiter bin um eine Herberge für die Nacht zu finden – wobei ich an jede Tür klopfte, aber überall abgewiesen wurde. Nein, es war keine Volkszählung im Gange, es war die Nacht vor Vollmond im Kommen. Was der 2. Punkt wäre. Da zu diesem Zeitpunkt im vietnamesischen Kalender – welcher hier noch voll im Einsatz ist – ein großes Fest abgehalten wird, welches wiederum in Hoi An sehr spektakulär zelebriert wird, war die Stadt buchstäblich schon nachmittags voll besetzt. Wir kamen zwar anfangs auf dem Weg ins Zentrum an einigen Guesthouses vorbei, die mit „Hey, cheap room here, come in, look!“ auf sich aufmerksam machten, da waren wir uns aber über den beschriebenen Zustand noch nicht im Klaren – und haben dankend abgelehnt. Als wir uns der Lage dann bewusst warn und dorthin zurückkehrten, hieß es auch dort schon „Sorry, full!“ …
Nach drei Stunden Odyssee fanden aber auch wir dann unseren Stall, oder eben das Gegenteil. Ein riesiges Ressort, welches wir auf jeden Fall als budgetsprengend eingestuft hätten, hat uns für 20 US $ Obdach gewährt.

16.02.2009, Mekong Delta, Can Tho
Aufgrund von Unlust wurde der Erzählfluss in Hoi An jäh unterbrochen, obwohl sowieso schon von Na Thrang aus geschrieben wurde. Wer schon mehr von mir gelesen hat, wird dies aber schon halbwegs gewohnt sein …
Nach allgemeiner Kultivierung und einer bitternötigen Rast sind wir dann gegen Abend in die Altstadt gezogen, wo besagte Festivität schon voll im Gange war. In sämtlichen Gassen und Läden, Straßen und Restaurants war das normale elektrische Licht durch bunte Lampions und Kerzen ersetzt worden. An einigen Ecken wurde gesungen und getanzt oder andere obskure Aktivität zur Schau gestellt. Absolut positiv fiel auf, dass große Teile des Fests für die Einheimischen gestaltet war. Ein Fakt, der beim Anblick der völlig auf Touris zugeschnittenen Altstadt sehr überrascht. Gesangs- und Karaokeeinlagen, bei denen Motorbike-Taxifahrer mit Helm neben Frauen im obligatorischen „Seidenschlafanzug“ saßen, Männer tranken Bier zusammen an Straßenecken. Das Fest pulsierte vor sich hin und war wirklich am Leben. Erwartet hätte ich eher eine Art Dienstleistungsspektakel für Westler und Chinesen. In so einem Fall lässt man sich ja aber gern belehren!
In einem kolonialen Altbau mit Balkon im ersten Stock gab’s dann noch erstklassige Meeresfrüchte und einige Bia Larue. Der Stress vom Nachmittag war runtergespült, er wich dem Gefühl der Sättigung und Zufriedenheit darüber, völlig zufällig das Vollmondfest von Hoi An mitzuerleben.
Die nächsten Tage wurden dann weitestgehend verschlendert, quer durch die Gassen der Altstadt von Hoi An.
Was von außen gut ausgesehen hatte, wurde spontan auch von innen besichtigt. Von traditionellen Häusern und Versammlungshallen über Tempel und Märkte wird die Stadt selten langweilig. Irgendwann standen wir nachmittags etwas planlos in der Gegend, als plötzlich einige Uniformierte auftauchten und die Ladenbesitzer aufforderten, vor ihren Geschäften schnellstmöglich klar Schiff zu machen. Gleichzeitig schoben zwei Müllmenschen (man erkennt selten ob M oder W) ihre Wagen durch die Straße und fegten allen Unrat zusammen. Normal kommen die erst nachts durch, und dann mit der Hälfte der Geschwindigkeit der beiden. Innerhalb von Sekunden werden Roller von den Gehsteigen versteckt, Auslagen sauber sortiert und Bettler vertrieben.
Ich fragte den Kerl neben mir, was los sei; Antwort: Der japanische Prinz kommt, zu Fuß, genau jetzt gleich hier durch. Da wird natürlich sofort poliert, außerdem ein Fahrverbot in der Altstadt verhängt und allen nicht ordentlich gekleideten Einheimischen das Zuschauen verweigert. Bis der Kerl dann endgültig vorbei kommt, geht noch eine halbe Stunde ins Land. Dann Matrix-Agent-Smith-mäßige Securitys und ein Asiat, der viel winkt und grinst als er vorbei schreitet. Das wird er wohl gewesen sein.
An einem anderen Tag an einem anderen Abend – keine Ahnung ob vor oder nach Prinz Japan – haben wir ein Pärchen getroffen, die uns schon bei der Hotelsuche wahnsinnig freundlich geholfen haben. Heute waren sie auf der Suche nach was zu essen. Wir konnten das Lokal, von dessen Balkon wir sie auf der Straße sahen, empfehlen. Was zu einem sehr amüsanten Abend wurde. Die Rahmenhandlung kennt man zwar schon hundertfach – Travellergeschichten und Bier – hatten wir aber lange nicht, außerdem waren die beiden – Ranko und Martha – äußerst sympathisch. Irgendwann wurde uns dann mit interkontinentaler Geste verständlich gemacht, dass die Sperrstunde kurz bevor steht – neben uns wurden die Tische zusammengeklappt.
An noch einem anderen Tag mit wiederum anderem Abend haben wie die beiden dann nochmals getroffen, wobei Neuigkeiten getauscht wurden, wobei wie heiß auf eine Insel an der kambodschanischen Grenze gemacht wurden: Phu Quoc. Spontan wurde die Karte entfaltet und die Route für die nächsten Tage abgeändert: Tauchen in Nha Trang wurde auf einen Tag zusammengestrichen, dafür auf der Insel wieder eingefügt. Anfahrt direkt übers Mekong Delta, von der Insel dann direkt weiter nach Saigon, letzter Stop vor der Heimat. Falls uns Regime und Transportmafia keinen Strich durch die Rechnung machen, was ihnen beim ersten Sprung bis Nha Trang schon mal halbwegs gelungen ist. Wir haben mal wieder händeringend Transportmöglichkeiten abgegrast, die tagsüber fahren, man will ja was sehen vom Land und nicht nur schlafend von Stadt A nach Sehenswürdigkeit B gekarrt werden. Fehlanzeige. Jeder tut zwar so, als versuche er was zu organisieren – am meisten interessierte uns ein Zugticket über Tag – hat dann aber immer andere Ausreden. Zum Bahnhof selbst kommen wir nicht, außer wir wären 30 km mit dem Taxi nach Da Nang. Und die Agenturen wollen eben ihre eigenen Bustickets verkaufen. Der eine sagt er könne erst morgen früh dort anfragen, andere rufen gleich an und behaupten dann, alles wäre schon voll, dann kam eine mit der „Seit zehn Minuten durchgehend besetzt“-Nummer. Die nächste kam ohne Probleme durch, aber leider sei da jetzt um 16.45 Uhr schon geschlossen. Die Quintessenz war immer die gleiche: You want to go by night-bus?“. Bis zum nächsten Tag wollten wir nicht warten, sonst wären, falls wir kein Zugticket bekommen, auch die Bustickets vergriffen. Also bissen wir in die Durian und ließen uns zwei Karten für den hoch gepriesenen Nachtbus schreiben. Und weil wir keinen Bock mehr auf noch mehr Gerenne hatten, buchten wir noch eine Tour zu den Ruinen von My Son für den nächsten Tag. Festes Programm und Guide-Gelaber sind zwar nicht unser Ding, anders sind die Türme im Dschungel aber schwer zu erreichen. Und Stress galt es zu vermeiden, da wir auf diesem Trip nicht – wie sonst manchmal – Zeit ohne Ende hatten.
Der Ausflug war dann aber sehr gelungen, wir konnten uns sofort von der Gruppe abseilen nachdem wir mit US-MC-Reliktjeeps bis zu den Heiligtümern gebracht wurden. Der Rundweg durch die Ruinen war durch beständigen Regen in Rekordzeit abgelaufen, trotzdem war das Ganze auf jeden Fall einen Besuch wert.
Der Nachtbus nach Nha Trang wurde dann insgesamt sehr entspannt, nach der Hanoi-Hue-Erfahrung konnte uns in der Hinsicht nichts mehr schocken. Die Einheimischen plaudern und lachen zwar bis spät in die Nacht und auch am frühen Morgen lautstark und ohne Rücksicht auf schlafende Nachbarn, das ist hier aber eben so und lässt sich durch Kopfhörer-MP3-Player-Kombinat leicht kompensieren.
Ankunft Nha Trang um 6.00 Uhr morgens bei blutrotem Sonnenaufgang über dem Meer, erster Eindruck schon mal wesentlich besser als erwartet, Unterkunft in einer kleinen Sackgasse etwas abseits. Sackgassen sind in Sachen Guesthouse in Vietnam immer allen anderen Adressen vorzuziehen. Warum? Kein Durchgangsverkehr -> keine Roller -> keine Hupen. Dann lieber den Rucksack fünf Blocks weiter aus dem Zentrum rausschleppen als nachts eine Dauerkakophonie aller auf sich aufmerksam machenden Verkehrsteilnehmer zu genießen.
Erst mal haben wir uns dann bis Mittag ausgeschlafen, dann raus und den weiteren Verlauf des Trips organisieren, was schneller und wesentlich unkomplizierter möglich war als gedacht.
Die Tauchbasis meiner Wahl war schnell gefunden, ich konnte am nächsten Tag mit aufs Boot und zwei Tauchgänge machen. Bela, ein Ungar, der von China hierher gespült wurde, hat innerhalb von zehn Minuten alles geklärt. und da ich zuletzt vor zwei Jahren mit Flasche und Flossen unterwegs war, versprach er, mir auf dem Boot vor dem ersten Wässern noch ein kurzes Update zu verpassen.
Danach haben wir relativ schnell eine Agentur gefunden, die uns auch das verkauf hat, was und wie wir es wollten. Zum ersten Mal in Vietnam. Man kommt zwar nicht – wie anfangs geplant – von Nha Trang ins Mekong Delta, der Rest lief aber: von Nha Trang per Zug (!) über Tag (!) nach Saigon, irgendwo dort eine Nacht verbringen, am nächsten Tag mit einer Eintagestour Richtung Cai Be ins Delta. Da organisiert uns ein Kollege dann per Local-Transport den Weg bis nach Can Tho. Von dort schlagen wir uns bis Rach Gia durch und entern irgendwann ein Boot auf die Insel zum mehrtägigen Nichtstun und Erkunden der Unterwasserwelt. Um Zeit zu sparen geht’s von dort mit dem Flieger zurück nach Saigon.
Insgesamt hat uns das Mädel also den Zug nach Saigon klargemacht und die Tour mit Nachricht für ihren Kumpel vor Ort. Dazu noch das Flugticket. Der Rest wird je nach Bedarf vor Ort geregelt. Sie hat sich anfangs zwar etwas gesträubt, bei der Aussicht auf Umsatz aber durch ewige Telefonate alles auf die Reihe bekommen.
Nächster Tag, Freitag der 13. Bela gabelt mich um 7.30 Uhr auf, unterwegs springen noch zwei Australier und dann noch mal zwei Australier auf den Minivan. Dann zum Hafen und aufs Boot. Dort nach dem Ablegen erst mal Tass Kaff. Vietnamesisch, göttlich. Die Tauchgänge waren erstklassig, ich musste nicht mal mein Equipment zusammenbauen, außerdem waren wir nur zu viert in der Gruppe, zwei Divemaster, ich und ein Aussie. Die anderen haben wir zusammen mit einem Ausbilder schon vorher über Bord geworfen – nur Schnuppertaucher und auf seichtere Gewässer angewiesen.
Am ersten Spot gab es einige riesige Felsen, die teilweise unterspült waren und so für ein Greenhorn wie mich einen guten ersten Eindruck von Höhlentauchen vermitteln konnten. Bela und der Ire haben erstklassig geführt und so konnten wir einiges sehen, was ich im Leben nicht entdeckt hätte. Riesige Feuerfische unter Korallentischen, Drückerfische (Buffer) so groß wie LKW-Rückspiegel, Baracudaschwärme über uns, Trompetenfische …
Am Spot Nummer 2 gabs dann weniger Fisch – ich habe als einziger einen kapitalen Soldatenfisch erspäht – dafür einen Canyon und bizarrste Korallen. Dass mich anfangs der Druckausgleich fast wahnsinnig gemacht hat (zwei Meter rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter, pfff blob endlich …) war sofort vergessen.
Beim anschließenden Mittagessen im schwiegermütterlichen Restaurant des Basisbesitzers gab’s noch Fachgesimpel und Erfahrungsaustausch bei Fisch und Bia Saigon, dann hab ich mich auf die abenteuerliche Suche nach Daniela gemacht, wollten uns irgendwo auf der Promenade rechts von der Straße vom Guesthouse treffen. War kein Ding, nach zehn Minuten fand ich sie auf einer schattigen Bank faul bei Reiscrackern schmökernd.
Irgendwann sind wir noch in den Norden der Stadt gewandert und haben von der Brücke über die Bucht den Fischereihafen und die Chamtürme besichtigt, der Rest wurde verschimmelt.
Der nächste Tag war dann reiner Transit, mit Taxi zum Bahnhof und mit dem Zug quer durch Berg und Hügel, Reis und Brachland, Wald und Steppe bis nach Saigon. Wenn die Landschaft eins war dann: abwechslungsreich. Und schön war sie nebenbei auch noch, auch wenn wir sitzplatzbedingt nicht die beste Sicht hatten. Die Einheimischen in unserem Wagen – wir waren die einzigen Touris – plauderten, schliefen oder genossen den mörderisch nervigen Sender Rail-TV. Wir hielten es ähnlich, nur ersetzten wir den Fernseher durch Buch und Musik.
Die Nacht in Saigon ist schnell beschrieben: Wir haben im erstbesten Guesthouse ein Zimmer genommen, dann die Ecke gesucht, von der es am nächsten Morgen ins Mekon Delta gehen sollte und haben anschließend in der nächstbesten Spelunke mehrere Biere eingenommen.

19.2.2009, Phu Quoc, so lala
Die Tage im Delta, mit das Beste auf dem Trip bisher.
Sind frühmorgens aufgebrochen und nach zwölfmaligem Umschichten von uns und Gepäck von einem Bus zum nächsten (die Asianten versuchen hier alles bis zum letzten Furz durchzuorganiseren, wobei sie dann irgendwann selbst nicht mehr durchblicken …)
Nach dem obligatorischen „Toilet stop for 20 minutes“ am größten Souvenirshop südlich von Saigon und drei Stunden Fahrt war Ankunft in Cai Be, gegen Mittag also. Von dort wurde die Gruppe auf ein Boot verladen, welches uns zu den schwimmenden Märkten bringt. Dass diese zur Mittagszeit schon so gut wie abgefrühstückt sind interessiert die Tourveranstalter natürlich nicht, mit großen Gesten werden uns fünf vereinzelte Boote auf dem breiten Flussarm präsentiert. „Look, this selling melon“ oder „Overthere, selling rice!“. Etwas armselig, aber das ist ja nur unser Einstieg in die zerfurchte Kanalwelt der vietnamesischen Reiskammer. Vom Fluss und den Kanälen selbst aber haben wir schon einiges mitbekommen. Einziges Manko: die Affenhitze. Der Wasserverbrauch steigt rapide an. Die Klamotte klebt an mir wie ein alter Lappen, den man an die Wand gefeuert hat. Mittags wurde ein Stopp eingelegt um an einer Kneipe, die wir erst noch per Fahrrad finden mussten, feste Nahrung aufzunehmen. Dort trat dann der V-Mann in Erscheinung, der uns den Transport nach Con Tho managen sollte. Nach kurzer Diskussion war der Coup perfekt, wir konnten, besser als erwartet, sogar per Boot bis in die Stadt, vier Stunden ab nach dem Mittagessen. Bestens! Da der Wasserstand in den Kanälen sehr niedrig war, sollte ich mich mit einigen anderen Leichtmatrosen der Schaluppe vorn auf den Bug setzen, um so das Schiff mit dem Heck weiter aus dem Wasser zu heben. Die Kollegen haben sich noch für die Umstände entschuldigt, ich dagegen fand die Sache bestens, herrlicher Blick auf die Natur, die Fischer und Bauern am Ufer, die Stelzensiedlungen und Wasserbüffel, das Ganze garniert mit einer leichten Brise und dem Geplauder des Kapitäns mit anderen Flussschiffern, die Neuigkeiten von weiter oben im Delta brachten: Der Wasserstand bleibt so, die Fahrt bis Con Tho kann sich noch ziehen.
Irgendwann, weit nach Einbruch der Dunkelheit, sind wir dann in der Zielstadt der Etappe angekommen, ein Zimmer war einfach zu finden. Viele Guesthouses gibt es noch nicht, die meisten Mekongbesucher fahren noch am selben Tag zurück nach Saigon. Unser Laden hat sich aber als absolute Bombe herausgestellt: saubere Zimmer zu gutem Preis, halb Hinterhof, kurz vor der Küche durch einen Treppenschlot in den 3. Stock. Halb Erdgeschoß, halb Bürgersteig und immer variabel erweiterbar das Restaurant, wenn – wie jeden Abend – voll war und jemand fragend nach Stuhl und Tisch Ausschau hielt, wurde noch mal einer knapp vor der Straße ausgeklappt, feste Grenzen hat dieses Lokal nicht. Zwischen einheimischen Fischern und Geschäftsleuten saßen Jugendliche und Pärchen bei gutbürgerlicher Küche und Bier. Kein aufgesetztes Grinsen beim Bestellen; Karte, bestellen, fertig. Abgeräumt wird erst, wenn du gehst, so lässt sich astrein nachrechnen, was die Zeche ist. Wer plant, länger zu bleiben bekommt gleich einen leeren Kasten unter den Tisch gestellt, für die Bierflaschen, bezahlt wird was an Leergut darin zusammenkommt. Das ehrlichste und vietnamesischste Resto seit den Garküchen in Hanoi. Und das Beste kommt erst noch: Das Essen ist grandios! Auch die Schlange nach Art des Hauses, welche am zweiten Abend auf meinem Teller landet, gehört geschmackstechnisch zu meinen neuen Favoriten.
Eine Frau im gehobenen Alter und mit zweifelhaftem Verwandtschaftsgrad zur Hotelfamilie hatte dann Connections zu den Männern am Hafen und konnte uns so ein Boot vermitteln, das uns morgens um 5.30 Uhr exklusiv zu den schwimmenden Märkten und in die Kanäle bringt. Gebongt. Für 30 US$ bringt uns der Käptn übermorgen acht Stunden auf den Fluss und zeigt uns die Gegend.
Con Tho hat sich am nächsten Tag, welcher zu großen Teilen dem Schlendern gewidmet wurde, als einfache Stadt ohne große Hotspots herausgestellt: Der Kai bietet guten Blick auf das Panorama des Flusslebens mit seinen Millionen Booten, die silbern lackierte Ho Chi Min-Statue bildet das einzige aus dem Durchschnittsstadtbild herausstechende. Eine völlig normale Kleinstadt, mitten im Mekong-Delta, keiner haut dich an, ob du in sein Restaurant kommen willst, die Läden verkaufen keine Souvenirs sondern Alltagsmaterial von Gemüse bis Edelstahlblech. Alles wirkt noch sehr verschlafen, obwohl hier schon vor Sonnenaufgang alles zu haben ist, was man braucht. Auch wenn sie nicht viel bieten, bin ich auf jedem Trip froh, wenn ich mindestens eine Stadt im Land finde, die noch echt, authentisch und nicht vom Tourismus abhängig ist. Mit Con Tho bin ich in Vietnam endlich fündig geworden. Zwischendurch wurde an diesem Tag noch die Bootspassage mit der „Superdong 1“ – welche in keinster Weise etwas mit der Pornobranche am Hut hat – gebucht, in zwei Tagen soll uns dieses Schiff zur Insel Phu Quoc bringen: Den Gerüchten nach ein noch völlig unversautes asiatisches Stück Land 15 km vor der kambodschanischen Grenze gelegen.

23.2.2009, Phu Quoc, sehr viel besser!
Mein Schreibrhythmus ist diesmal sehr träge, weshalb ich es erst jetzt fertig bringe, beim bereits zweiten Anlauf auf der Insel, das Mekong Delta abzuhaken. Es fehlt noch ein Tag, welcher nun folgt.
Bootsfahrt, Start 5.30 Uhr, unser Käptn, eine Lady im gehobenen Alter wie wir überrascht feststellen, wartet schon an der noch verrammelten Lokalfront auf uns. Auf dem Weg zum Kai werden noch schnell zwei Brote für uns eingeladen, dann durch die Gassen Richtung Fluss. An einer Ecke der Anleger drückt unsere Bootsfrau einem Kerl ohne Hemd im Vorbeigehen eine Münze in die Hand. Dann sind wir an unserem Kahn: So breit, dass man bequem zu zweit nebeneinander sitzen kann, die Kapitänin setzt sich ins Heck zum hier üblichen Außenborder mit zwei Metern Gestänge zwischen Schraube und Motor.
Vom Sonnenaufgang über dem Fluss bekommen wir nicht viel mit, alles wolkig am Himmel und so wird es einfach nur heller, als würde jemand am Dimmer der Sonne schrauben. Nach einigen Kilometern auf dem streckenweise mehrere 100 m breiten Con Tho-Fluss kommen wir mitten hinein in das Gemenge aus Dschunken, Hausbooten, Einbäumen und Ruderkähnen, die schwimmenden Märkte des Mekong Delta.
Die Organisation dieses Marktes ist für unsere Augen schlicht nicht vorhanden: Die größeren Boote haben riesige Posten an Obst und Gemüse an Bord, die Kleineren kaufen dort das Sortiment für ihren Marktstand an Land zusammen. Der Mekong ist hier immer noch Transportweg Nummer Eins, und warum die Waren vom Feld umständlich über zwei Zwischenhändler an Land verscheppern, wenn das Ganze sowieso von jedem wieder aufs Boot geschleppt wird. Also verkauft man direkt vom Feld aufs große Boot, von da aufs kleine Boot und erst von dort auf den Markt oder ins Resto. Tradition ist wie Evolution, auf Dauer hat sich die beste Methode durchgesetzt. Gegen Mittag wurde noch an einem zum Resto umfunktionierten Bauernhof Stop gemacht und die Regionallegende „Big Elephandearfish“ getestet, Prädikat gigantisch! Das Teil wurde komplett geliefert und man baut sich aus dem Fisch, Reis, Nudeln und Reispapier mit Minze eine Rolle, welche in Soßen gedippt verspeist wird. Nicht nur geschmackstechnisch eine Bombe. Auf dem Rückweg über die Kanäle sind wir fast weggedöst, so ruhig und verschlafen ist die ganze Gegend, in der sogar die Schule vom Wasser aus betreten wird. Alles ist hier am Fluss orientiert, die Straße ist nur ein nützlicher Nebenpfad, Hauptschlagader ist das Wasser, der Mekong und seine 1.000 Kanäle. Sämtliche Läden und Häuser haben die Front zum Wasser, Handel, Geplauder, Nachbarschaft, Leben, alles hängt an den trägen grünbraunen Strömen direkt vor der Haustür. An der Straße liegt lediglich der Hinterhof.
Nach zwei Stunden Fahrt kam dann Can Tho wieder in Sicht und wir sind erst mal zur Siesta zurück zum Guesthouse, Wecker um 5.00 Uhr ist einfach völlig übel, auch wenn ich das früher täglich hatte …
In der hauseigenen Kneipe war gerade wenig los, also wurde ein Tisch an der Straße geentert und Saigon Green Bia, 7up und ein Glas geordert um das ganze in ein Objekt zu symbiosieren. Mehr Erfrischung ist bei solchen Temperaturen fast nicht möglich, nur Salted Lemon Sodas laufen auf der Meyerschen Durstskala noch höher. Während des Genusses dieses Getränks wurde einer der durchgeknalltesten Vietnamesen überhaupt beobachtet: Er kam auf dem Fahrrad, ein flottes Lied pfeifend und mit anständiger Geschwindigkeit auf der anderen Straßenseite heran, eine Hand am Lenker, die andere hatte nach Oberkellnermanier ein Tablett zu balancieren, darauf einige Suppenschüsseln und Zubehör. Ohne Rücksicht auf Verlusten schneidet er schnell zwei Roller im Gegenverkehr um die Straße zu überqueren, kommt irgendwie ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren einen 10 cm-Bordstein hoch und verschwindet, immer noch pfeifend, in der Gasse neben uns. Das Geschirr hat sich dabei nicht mal bewegt. Mit der Nummer hätte er eine sichere Nummer beim Russischen Staatszirkus …

27.2.2009, Abflug, Flughafen Saigon, Gate 19, der Rest der Geschichte:
Wie geplant sind wir am 18. Weiter auf die Insel Phu Quoc, eine der wenigen Inseln in Asien, die noch nicht komplett touristisch abgefrühstückt sein soll. Da die Insel öfters mal voll ist, was die von uns bevorzugten Unterkünfte angeht, hab ich schon von Nha Trang aus mit einem auf dem Eiland ansässigen Franzosen telefoniert und er hat sich bereiterklärt, uns eine Bude freizuhalten. War zwar etwas verzwickt zu finden, aber dann kein Stress. Aufgrund von sanitären Fehlfunktionen sind wir zwar einmal intern umgezogen, dafür war es dann aber ruhiger, da wir die schon frühmorgens aktive Nachbarfamilie nicht mehr direkt hinter uns hatten.
Unser erster Eindruck nach dem Strandgang war ernüchternd: zwar alles nicht schlecht, aber auch hier schon Ressorts und bunt beleuchtete Strandbars, die 90er Jahre Popsoundcovers auf den Strand blasen. Alles aber noch in angenehmen Grenzen, keine Hoteltürme und Liegestuhlkolonien, aber der Grundstein ist definitiv schon gelegt.
Direkt um die Ecke von unserer Bleibe gab es dann aber die erste Oase: ein kleines einheimisch geführtes Restaurant ohne viel Schnickschnack. Blechhütte mit überdachter Veranda, etwas oberhalb vom Strand irgendwo in einer Hecke zwischen Wald und Friedhof versteckt. Erstklassige Küche zu anständigen Preisen, die Portionen dazu gigantisch. Frühlingsrollen kommen bergeweise, woanders 6-8 Stück. Kaffee kommt im 0,33 l Bierkrug, woanders eine Minitasse. Nach zwei Tagen waren wir Stammkundschaft. Haben zwar auch paar andere probiert, aber so gut wie Mama Hanh kocht auf der Insel keiner.
Die ersten beiden Tage wurden völlig vergammelt: Strand, essen fassen, Saigon Bia bei Sonnenuntergang. Wobei hier eines der simpelsten und zugleich besten Barkonzepte überhaupt erwähnt werden muss.
Man stelle Plastikstühle paarweise zusammen mit einem grob zusammengenagelten Tisch einfach direkt auf den Strand, wie eine Reihe Kinositze nebeneinander, eine zweite Reihe gibt es nicht. Der Film: Sonnenuntergang direkt am Strand, auf 12 Uhr direkt vor dir. Aus der Kühlbox wird Bier verkauft und wenn irgendwann nach 18 Uhr die Dunkelheit den Tag vertrieben hat, werden ein paar Öllampen auf die Tische verteilt und das Versumpfen und Abstürzen kann bis Ultimo ausgedehnt werden.
Am Strand stand außerdem einen Hütte, in der, wie sich rausstellte, ein Deutscher aus Freiburg sitzt und alles möglich vermitteln und organisieren kann, unter anderem Tauchen, wo und wann ich will, jede Basis am Ort. Infos (er ist selbst Dive Master auf Phu Quoc) und eine neutrale Meinung sind immer gut, also hab ich ihn zwei Tage später noch mal besucht und vier Dives bei Vietnam-Explorer gebucht.
Die Tauchgründe waren ganz o.k., nicht der Traum schlechthin, aber für einen Anfänger wie mich aufregend genug. Glücklicherweise hatte ich eine Österreicherin als Buddy, so konnte die Verständigung über Wasser auch auf heimatnahe Themen ausgedehnt werden. Beim ersten Tauchgang gab’s nach 20 Minuten eine unvorhergesehene Strömung an einer Ecke, die uns die zwei anderen Mitglieder unserer Gruppe weggespült hat. Der Divemaster befiehlt erstmal zu warten, er sucht. Wir warten eine Minute, zählen bis 30, er kommt nicht wieder. Kurze Verständigung, beide gleicher Meinung: auftauchen.
Nach zehn Minuten haben wir dann auch die rote Fahne der anderen gesehen und sind zu ihnen zwischen die Felsen geschwommen, raus aus der Strömung. Dann hat uns das Boot aufgegabelt und wir hofften, dass die zweite Runde besser wird.
Wurde sie dann auch. Ein kompletter Strömungstauchgang, diesmal aber kontrolliert und eine knappe Stunde unter Wasser. Die Sicht war besser, die Korallen größer, mehr Fisch: Barracudas , Trompeten, Clownfisch, Buffer etc. und Geisterkorallen, von denen ich aber nicht weiß, wie diese wirklich heißen.
Die zwei Tauchgänge am Folgetag waren ähnlich, fünf bis sechs Meter Sicht, ganz o.k. von den Korallen, aber gegen Ende nur noch auf sechs Meter, was uns gut Zeit verschafft hat, 57 Minuten Tauchzeit ist nicht übel für ein Standardriff. Es sollte auch Babyhaie und Mantas geben, gesehen haben wir in der Brühe aber nichts was größer als ein Karpfen war, dafür viel Kleinzeug.
Der letzte der fünf Tage auf Phu Quoc sollte dann der sein, der uns die Insel rettet. Mikka, der Franzmann vom Guesthouse, hat uns einen Roller verpachtet und eine Karte obendrauf gepackt. Nicht sehr genau, aber man konnte halbwegs eruieren, wo man sich gerade rumtreibt. Schon nach dem ersten Kilometern nach Duong Dong wurde uns klar, dass die Insel doch noch nicht so versaut ist. Es gibt keinen Teer, nur rote Lehmpisten mit sattem Grün aus baumüberfluteten Hügeln auf beiden Seiten. Unberührte, weiße Sandstrände, kilometerlang. Wenn die Einheimischen nicht ihre Abfallwirtschaft mit dem Meer kombinieren würden, könnte man von perfekt sprechen …
Wir sind den kompletten Tag auf sämtlichen Pisten im Norden unterwegs gewesen, die Orte auf der Karte sind nicht mehr als eine Handvoll Holzhäuser, vor denen der legendäre Phu Quoc-Pfeffer zum Trocknen ausliegt. Benzintechnisch herrscht eine gut ausgebaute Infrastruktur vor; man hält bei der nächsten Oma, die irgendwo vor ihrem Haus verkauft, meistens stehen auch zwei oder drei Flaschen Benzin dabei. Ein Fingerzeig und man hat wieder den halben Tank voll, ein fragender Blick und der Fingerzeig ihrerseits zeigt an, was es kosten soll. Teurer als an der Tankstelle, klar, und mindestens das Doppelte was die Locals zahlen, aber hey, die karren das Zeug auch durch die Gegend und 40 Cent pro Liter können wir gerade noch berappen.
Bei der abendlichen Ankunft sind wir farbtechnisch fast mit der Straße verschmolzen, wenn ich im Leben eine Dusche dringend nötig hatte, dann jetzt.
Am nächsten Tag, dem 24.2., noch mal bei Familie Hanh gefrühstückt. Dann zum Flughafen und zur letzten Etappe: Saigon. Das Paris des Ostens, Herz von Indochina. Die Mikrowelle von Vietnam: Modern und wird schnell heiß. Wir sind in einer ruhigen Nebenstraße des Travellerviertels abgestiegen, Preis zwar etwas teurer, aber die Abschottung vor der Geräuschkulisse, die der von Hanoi in nichts nachsteht, ist uns fast alles wert.
Erfahrungen dieses Tages: Die Saigonesen sind Sozialistensportler auch im Privaten und der Ben Tahn Markt ist inzwischen reine Touristenburg.
Zu Punkt 1: Allabendlich treffen sich Horden von Leuten jeden Alters im Park um Hinterfuß-Indiaka oder Kollektiv-Aerobic zu betreiben. Bei Letzterem ist der genaue Bewegungsablauf schwer zu beschreiben. Man erinnere sich an Rene Higuita, Torwart bei Kolumbien im Wembleystadion 1995, welcher einst einem Schuss aus dem Handstand mit der Hacke aus dem Kasten gehauen hat. Er hat sich über einen Treffer dieser Technik gefreut und wurde zur Legende. Die Jungs hier spielen sich so 5-10 Pässe zu und machen gleichzeitig Liegestütze. Und das sind keine Extremsportler, sondern Taxifahrer in einfachem Hemd und Hose mit Sandalen. Man spielt eine Runde und geht dann wieder seinem Alltag nach.
Am 25. wurden die Tunnel von Chu Chi beehrt, und da wir nicht genug Zeit haben um selbst hinzukommen, haben wir uns an eine Tour angehängt, was – dank Guide – fast zum Desaster wurde. Zum Programm gehört außerdem der knallbunte Kitschtempel der Cao Dai-Sekte, eine Vereinigung die so ziemlich alles anbetet, was die Erde an Glaubensrichtungen zu bieten hat, in einem Tempel, der höchstwahrscheinlich in Disneyworld entworfen wurde. Jedenfalls kann der Minibus, gut gefüllt mit einer Reisegruppe völlig peinlicher Chinesen jenseits der 50 erst mal eine halbe Stunde zu spät. 8 Uhr war geplant, 8.30 Uhr war er dann da und um 9 Uhr konnten wir los. Zum Glück waren noch Japan und Österreich mit jeweils einer Person vertreten und wir mussten die Show nicht alleine ertragen.
Zum obligatorischen Teil gehört natürlich auch wieder das Anhalten an einer kleinen Werkstatt mit großem Souvenirshop, und wieder hechten die Chinesen völlig peinlich durch die malenden Behinderten, nehmen ihnen die Pinsel aus der Hand und posieren damit für noch peinlichere Bilder. Da das alles länger dauert als erwartet, kommen wir erst kurz vor 12 Uhr am Tempel an, und der Kumpel der sich Guide Toung nennt, traut sich echt zu sagen: „Okay, 15 minutes for temple, take picture and come back please.“ Ich hab ihn zwar angeschissen, was das soll, aber auch hier zählt nur der Gast von heute, der Kerl hat keine Angst vor Kritik oder Auftragsmangel, morgen bekommt die Agentur die nächste Ladung Touristen, und durch das System, mit wem man endgültig unterwegs sein wird, steigt sowieso keiner durch, der nicht tiefer drin steckt. Agenturen gehören zu zig Oberagenturen, diese buchen täglich Guides und Busse. Wo also beschweren, im Prinzip weiß keiner woher die Order kommt und wer letztendlich die Verantwortung für die Planung trägt.
Der Tempel war zwar auch nicht so spektakulär, aber 15 Minuten für einen Punkt, den man bezahlt, ist absolut dreist. Danach, natürlich 45 Minuten Mittag im Resto der Gesellschaft. „Werft mir eure Dollars zu“ schwingt durch den Raum …
Den Vogel hat der Guide dann abgeschossen, als er anfing selbstgetextete Lieder über Ho Chi Minh und anderes zum Besten zu geben. Das Desaster perfektioniert haben dann die Kollegen aus dem Reich der Mitte: Es wurde begeistert geklatscht und mitgejault … Ich war noch nie in meinem Leben so froh über Kopfhörer und den voll aufgedrehten Sound von „Beck“ auf den Ohren.
Die Tunnel selbst waren dann o.k., hab mir mehr darunter vorgestellt. Die Räume waren ausgebaggert um bequem über eine Treppe besichtigt werden zu können. Lediglich die schmalen Verbindungstunnel, kaum einen Meter hoch, waren noch unterirdisch und haben etwas Authentizität verspüren lassen. Man kam höchstens kriechend vorwärts, und es ging des Öfteren lins oder rechts ohne dass man auch nur erahnen konnte, wohin der Tunnel führt.
Die tieferen Ebenen wurden leider völlig zerstört, weshalb man heute nur noch drei Meter unter die Erde kann.
Der letzte Tag Vietnam 2009 geht zu Ende: eine Runde Sightseeing in Saigon, von der Flaniermeile Dhong Koi zur Kathedrale Notre Dame, Postamt, Palast der Wiedervereinigung, Rathaus und Park der Umerziehung, alles zu Fuß bei brennender Hitze. Aber es hat sich gelohnt, Saigon ist zwar inzwischen eine Stadt des 21. Jahrhunderts, hat sich aber einiges seiner nicht immer bequemen Geschichte erhalten. Des Abends wurde noch einiges an Dong in Souvenirs und Essen investiert sowie mehrere Biere konsumiert um anschließend ein letztes Mal den Rucksack zu stopfen.

Resümee: Die Vietnamesen sind wieder ein eigener Schlag Menschen in Asien, wie die Thais, Khmer oder eben Chinesen. Ihre großen Auffälligkeiten gegenüber den anderen Südostasiaten sind der raue Ton, der oft herrscht und die scheinbare Gefühlskargheit. Keiner verzieht eine Miene wenn ein alleine reisendes Mädchen von vielleicht 12 Jahren einfach in den Bus kotzt. Weder das Mädchen selbst versucht den Fahrer zu fragen, ob er mal Stop machen kann, auch nach dem Malör sind wir die Einzigen im Bus, die fragen, ob alles klar ist und ein Taschentuch anbieten.
Auch, dass alles bis ins Kleinste organisiert sein muss, wie ein Kartenhaus, wo sich einer auf den nächsten stützt und sobald ein Einzelner nicht mehr tut was er soll schwankt das ganze System.
Insgesamt haben wir aber trotzdem einen guten Monat hier genossen, immer perfekt läuft so was nie, und es waren im Nachhinein betrachtet auch nicht alles schlecht, vieles sogar gigantisch gut.